kirchenslawisch

kirchenslawisch
kịr|chen|sla|wisch 〈Adj.〉 \kirchenslawische Sprache = altbulgarische Sprache

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Kirchenslawisch,
 
die Sprache der kirchlichen und weltlichen Literatur der orthodoxen Slawen vom 9./10. bis zum 18. Jahrhundert, im 18./19. Jahrhundert durch die Herausbildung der modernen slawischen Nationalsprachen und -literaturen auf den kirchlich-liturgischen Bereich zurückgedrängt. Das Kirchenslawisch entwickelte sich aus den Übersetzungen der Slawenapostel Kyrillos und Methodios, die diese für ihre Missionstätigkeit in Mähren (863-885) anfertigten. Beide stammten aus Saloniki, waren griechisch-slawisch zweisprachig und erhoben ihren südslawischen Heimatdialekt zur Schriftsprache, für die sie eine eigene Schrift, die Glagoliza, erfanden. In der ältesten Periode des Kirchenslawisch (Altkirchenslawisch oder Altbulgarisch) spricht ein Teil der Forschung aufgrund der tschechischen Spracheigenheiten des ältesten Denkmals (»Kiewer Blätter«, 9.-10. Jahrhundert) von einer mährischen Variante, jedoch sind die meisten klassischen Denkmäler der bulgarisch-makedonischen Variante zuzurechnen (»Codex Zographensis«, »Codex Marianus«, »Codex Assemanianus«, »Euchologium Sinaiticum«, »Psalterium Sinaiticum«). Im 10.-11. Jahrhundert wurde die Glagoliza im Osten durch die Kyrilliza ersetzt, und seit dem 12. Jahrhundert wurde das Kirchenslawisch mehr und mehr zu einer überregionalen Schriftsprache, die jedoch regionale Färbungen annahm. Man spricht daher auch vom Bulgarisch-Kirchenslawisch oder Mittelbulgarischen, vom Serbisch-Kirchenslawisch und Russisch-Kirchenslawisch; das Tschechisch-Kirchenslawisch endete bereits Ende des 11. Jahrhunderts Bei den katholischen Kroaten hat sich die Glagoliza in liturgischen Büchern zum Teil bis heute erhalten; bei den orthodoxen Rumänen existierte im 14.-18. Jahrhundert eine Form des Kirchenslawisch, die auf der bulgarischen oder einer russisch-ukrainischen Variante mit wenigen rumänischen Elementen beruhte.
 
Die Literatur des Bulgarisch-Kirchenslawisch, Russisch-Kirchenslawisch und Serbisch-Kirchenslawisch entwickelte sich aus Übersetzungen aus dem byzantinischen Griechisch. Neben den zunächst übersetzten biblischen, homiletischen, patristischen und apokryphen Schriften wurde sehr bald auch kanonische, dogmatische, historiographische, naturkundliche und erzählende Literatur übersetzt. Relativ früh entstand auch ein eigenständiges kirchenslawisches Schrifttum (die Viten von Kyrillos und Methodios, Traktat des Mönches Chrabar zur Verteidigung des Slawischen, historischen Prosa, Lobreden u. a.). Nach einer gewissen Differenzierung des Kirchenslawisch in den lokalen Traditionen im 12.-13. Jahrhundert kam es im 14.-15. Jahrhundert durch die starke Ausstrahlung der bulgarischen Schule von Tarnowo und der serbischen Schule von Resava zu einer südslawischen Reorientierung auch im Ostslawischen (»zweiter südslawischer Einfluss«). Heute lebt das Kirchenslawisch nur noch als liturgische Sprache (Neukirchenslawisch) in zwei Typen fort: der russische Typ in der byzantinischen Liturgie der Orthodoxen und Unierten, der kroatische Typ in der römischen Liturgie bei Kroaten und Tschechen.
 
 
V. Jagić: Entstehungsgesch. der kirchenslaw. Sprache (Neuausg. 1913);
 N. van Wijk: Gesch. der altkirchenslav. Sprache (1931);
 L. Sadnik u. R. Aitzetmüller: Hwb. zu den altkirchenslav. Texten (1955);
 
Slovník jazyka staroslověnského. Lexicon linguae palaeoslovenicae, hg. v. J. Kurz u. a., auf 5 Bde. ber. (Prag 1966 ff.);
 R. Aitzetmüller: Altbulgar. Gramm. als Einf. in die slav. Sprachwiss. (1978);
 A. Leskien: Hb. der altbulgar. (altkirchenslav.) Sprache (101990);
 H. Trunte: Sloven'ski jazyk. Ein prakt. Lb. des K. in 30 Lektionen, auf mehrere Bde. ber. (41994 ff.).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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